Der Überbrückungskredit im deutschen Mittelstand

Im fünften Beitrag über die alternative Finanzierungsformen beschäftigen wir uns mit dem Überbrückungskredit im Mittelstand. Der Begriff des Überbrückungskredits ist weithin geläufig, allerdings finden sich neben den traditionellen Playern immer mehr Fintech-Unternehmen. Dahinter stehen Kreditplattformen, die Unternehmen wie Privatpersonen kurzfristig Fremdkapital, auch ohne Besicherung des Schuldners,  anbieten.

Seit mittlerweile über eineinhalb Jahren wird die Weltwirtschaft von der anhaltenden COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Infektionsschutzgesetzen stark beeinflusst. Gerade die durch den Krankheitserreger induzierten Kontaktbeschränkungen, Kaufverhaltensveränderungen und Rohstoffknappheiten führen bei vielen Unternehmen zu finanziellen Engpässen. Abhilfe versprechen sich viele der Betroffenen durch die Aufnahme eines Überbrückungskredits. Gerade die Programme der Förderbank KfW wurden an die aktuelle Lage angepasst und erweitert. Dabei ist die Nutzung eines solchen Überbrückungskredits auch abseits krisenbedingter Liquiditätsengpässe nicht unüblich. Auch zur Zwischen- oder Vorfinanzierung eignet sich diese kurzfristige Art der Fremdkapitalaufnahme und stellt somit eine gute Alternative zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten wie Factoring dar.

Der Überbrückungskredit im klassischen Sinne

Der unter die Gewerbefinanzierung fallende Überbrückungskredit zeichnet sich primär durch eine kurze Laufzeit und flexible Konditionen aus. Beispielsweise wird der vereinbarte Betrag oft nicht vollständig ausgezahlt und das Unternehmen kann während einer üblichen Laufzeit von 6 bis 24 Monaten bedarfsabhängig darauf zugreifen. Auch die Besicherung der Kreditsumme kann individuell verhandelt werden und entfällt teilweise ganz. Diese vorteilhaft erscheinenden Konditionen gehen allerdings auch mit deutlich höheren Zinssätzen einher, als man es von langfristigeren Krediten gewohnt ist. Geschäftsführer müssen also genau abwägen, wann ein Überbrückungskredit sinnvoll ist.
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen verfügen oft nicht über die nötigen liquiden Mittel, um neben der Finanzierung des laufenden Geschäfts kurzeitige Mehrbelastungen abzudecken. Die Aufnahme eines Überbrückungskredits kann beispielsweise einen umfangreichen Einkauf von Rohstoffen zu vergünstigen Konditionen auf Lager oder die Umsetzung einer nur kurzfristig verfügbaren Investition ermöglichen. Zusätzlich kann er Abhilfe leisten, um kurzfristige Zahlungsengpässe aufgrund verzögerter Zahlungseingänge von Kunden zu überbücken.

Der Überbrückungskredit im Sanierungsfall

Bei einer Kreditaufnahme zu Sanierungszwecken ist zu betonen, dass der Überbrückungskredit unbedingt vom sogenannten Sanierungskredit abzugrenzen ist. Da er regelmäßig ad hoc gewährt werden kann, ist die Sanierungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt eventuell noch nicht geklärt. Somit fungiert er teilweise auch zur Überbrückung, bis ein Unternehmen beispielsweise durch ein Gutachten als sanierungsfähig angesehen werden kann.

Grundsätzlich ist in einer Unternehmenskrise zunächst eine Konzepterstellung zu ermöglichen, die sich normalerweise zwei bis sechs Wochen hinzieht. Für den Fall einer dabei auftretenden Zahlungsunfähigkeit kann ein Überbrückungsdarlehen finanzielle Sicherheit gewährleisten. Dieser Überbrückungskredit dient jedoch ausschließlich der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit während der Konzepterstellungsphase und es darf keine offensichtliche Sanierungsunfähigkeit oder -unwürdigkeit festgestellt worden sein. Nur dann kann der Überbrückungskredit ohne handelsrechtliche Risiken gewährt werden. Anderenfalls besteht die Gefahr einer möglichen Haftung aufgrund von Insolvenzverschleppung bzw. Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe mit den damit verbundenen zivil- als auch strafrechtlichen Konsequenzen.

Eine entsprechende Sicherheit ist gerade im Zeitpunkt einer noch nicht identifizierten Sanierungsfähigkeit unerlässlich. Dabei sollte sich das Überbrückungsdarlehen unter engen haftungsrechtlichen Gesichtspunkten auf die „Drei-Wochen Frist“ einer potenziellen Insolvenzantragspflicht beschränken. Im Rahmen einer späteren finanzwirtschaftlichen Restrukturierung muss im eigentlichen Sanierungsgutachten die Ablösung des Überbrückungskredits beispielsweise durch einen langfristigen Sanierungskredit vorgesehen sein.

Finanzierung im technologischen Wandel

Die fortschreitende Digitalisierung hat auch einen großen Einfluss auf den Kreditmarkt und insbesondere das Finanzierungsinstrument des Überbrückungskredit: Die Kreditvergabe durch Fintech-Unternehmen in den letzten Jahren ist stark angestiegen. Das sind Kreditplattformen, auf denen Unternehmen und Privatpersonen kurzfristig Fremdkapital erhalten können. Hierbei sind sowohl große als auch kleine Beträge sowie ungewöhnliche Projekte und Konditionen möglich. Es ist nicht unüblich, dass die Kreditvergabe ohne Besicherung seitens des Schuldners erfolgt. Die Kreditvergabe via Fintechs soll unkompliziert und kundenorientiert sein. Aufgrund dessen wird jedoch oft der mangelnde Verbraucher- und Anlegerschutz kritisiert. Zudem fehlt es an einer angemessenen und einheitlichen Regulierung dieser Fintech-Unternehmen durch die Aufsichtsbehörden. Dementsprechend dürften die zunehmende Reichweite von Fintech-Unternehmen und der Einsatz digitaler Innovationen bei der Kreditvergabe Herausforderungen, aber auch Chancen im Hinblick auf die finanzielle Flexibilität mittelständischer Unternehmen mit sich bringen.

Wir, die TMC Turnaround Management Consult GmbH, verstehen uns als Experten für Sondersituationen und begleiten unsere Mandanten in Umbruchphasen mit unterschiedlichsten Problemstellungen. Hierzu zählt auch die Unterstützung bei alternativen Finanzierungsvorhaben und die kurzfristige Insolvenzabwendung. Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten, dem strategischen Fit für das Unternehmen und der Komplexität dieser Vorhaben sollten alle Chancen und Risiken genau abgewogen werden. Dabei stehen Ihnen die Experten der TMC zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an.

 

 

Die Autoren:

Christian Lützenrath ist geschäftsführender Partner der TMC Turnaround Management Consult GmbH. Er ist Fachmann für Interimsmanagement, Restrukturierungsberatung, Sanierungsmanagement und Fortführung in der Insolvenz. Außerdem begleitet er M&A-Prozesse. 

Steffen Leininger ist Project Manager bei der TMC. Im Rahmen seiner Mandate betreute er bereits zahlreiche Restrukturierungs-, Insolvenz- und Controlling-Projekte. Sein Fokus liegt hierbei in der Planung und Nachverfolgung der Transformationsprozesse.

In dieser Reihe ist bereits erschienen:
 

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