Quo vadis KMU? Mittelstand im Sog von Pandemie und Ukraine-Krise

Seit geraumer Zeit steht der deutsche Mittelstand nun vor verschiedenen Herausforderungen. Neben der coronabedingten konjunkturellen Schwäche ist die russische Invasion auf die Ukraine einer der treibenden Krisenfaktoren im aktuellen Umfeld. Gleichzeitig sind Pandemie und Krieg Beschleuniger von bereits vor der Pandemie bestehenden, strukturellen Problemen. Dieser Beitrag soll die aktuell wesentlichen Probleme der KMUs und damit verbundene Handlungsempfehlungen adressieren.

Seit geraumer Zeit steht der deutsche Mittelstand nun vor verschiedenen Herausforderungen. Neben der coronabedingten konjunkturellen Schwäche ist die russische Invasion auf die Ukraine einer der treibenden Krisenfaktoren im aktuellen Umfeld. Gleichzeitig sind Pandemie und Krieg Beschleuniger von bereits vor der Pandemie bestehenden, strukturellen Problemen. Dieser Beitrag soll die aktuell wesentlichen Probleme der KMUs und damit verbundene Handlungsempfehlungen adressieren.

Konjunkturelle Schwäche und Störung der Lieferketten

Zum Start der Covid-19-Pandemie war die deutsche Wirtschaftsleistung geprägt von einem erheblichen Einbruch, dessen Ursachen vielfältig waren. Flächendeckende Lockdowns auf globaler Ebene führten zu starken Einschränkungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens, während es gleichzeitig aufgrund der starken Einbindung des deutschen verarbeitenden Gewerbes in internationale Produktionsketten zu Produktionsstopps und Auftragsstornierungen kam. Zwar hat sich die konjunkturelle Lage im zweiten Halbjahr 2020 unerwartet schnell erholt. Der plötzliche Nachfrageschub bei Investitions- und Konsumgütern führte jedoch zu einem Zusammenbruch der globalen Lieferketten.  

Viele KMUs sind seither mit verzögerten oder ausbleibenden Materiallieferungen, weiteren Produktionsstillständen und hohen Auftragsbeständen konfrontiert. Zentrale Ursachen der belasteten Lieferketten sind wiederholt auftretende regionale Störungen an für den Welthandel höchstrelevanten Containerhäfen in Asien, Nordamerika und Europa. Einschränkungen des Personals an Terminals und im Zubringerverkehr haben – angesichts der pandemiebedingten Hygienerichtlinien – eine verringerte Hafenumschlagskapazität zur Folge. Rückstaus in den Häfen, die bis heute andauern, sind neben geringeren Verlademengen, verpassten Abfahrten und deutlich längeren Vorlaufzeiten im Buchungsprozess, bei gleichzeitig stark steigenden Frachtraten, eine Konsequenz. Die Auswirkungen der abermaligen Lockdowns in wichtigen chinesischen Hafenstädten und der Staus in der Nordsee spiegeln sich aktuell im geringen Frachtaufkommen wider. Lieferengpässe sind ein wesentlicher Grund dafür, dass das Vorpandemieniveau des deutschen Bruttoinlandsprodukts noch nicht wieder erreicht wurde. 

Das Geschäftsklima hat sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs wieder stark eingetrübt. Zwar sind die Auftragsbestände weiterhin auf einem hohen Niveau, die Dynamik der Auftragseingänge schwächt sich aktuell jedoch deutlich ab. Dies ist ein Zeichen wachsender Investitionszurückhaltung infolge der politisch und wirtschaftlich angespannten Lage. Das negative Geschäftsklima resultiert auch aus dem teilweisen Verlust des russischen Absatzmarktes und der Notwendigkeit, den wichtigen Absatzmarkt China wegen der sich verschärfenden geopolitischen Risiken neu zu bewerten.

Die Abhängigkeit der deutschen Industrie von (Energie-)Rohstoffen

In der deutschen Industrie haben eine Vielzahl von Unternehmen einen hohen bis sehr hohen Bedarf an fossilen Energieträgern für den Produktionsprozess. Die gesamte Industrie bezieht ihren Endenergieverbrauch zu über 80% aus Erdgas, Strom und Stein- bzw. Braunkohle, wobei ein Großteil des Verbrauchs auf nur wenige Branchen fällt. Das Preisniveau im Bereich fossiler Energie – insb. bei Erdgas – ist schon vor Kriegsausbruch erheblich angestiegen. Sofern die gestiegenen Preise nicht an die Kunden weitergegeben werden können oder es zu einem vollständigen Lieferstopp seitens Russlands kommt, stellt das kurz- bis mittelfristig nicht gänzlich substituierbare russische Gas für Mittelständler mit hohem Energiebedarf ein existenzbedrohendes Problem dar.

Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung im April einen Schutzschild zusammengestellt. Dieser sieht u.a. vor, energieintensiven Unternehmen einen Kostenzuschuss zur Dämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs zu gewähren. Dieser Zuschuss ist jedoch befristet und eng umgrenzt, während das Maßnahmenpaket zusätzlich noch unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Prüfung und ggf. der Genehmigung der EU-Kommission steht. Ferner existieren noch keine genauen Ausführungsbestimmungen. Ob und wann dieser Kostenzuschuss also ausgezahlt wird und welche Unternehmen am Ende tatsächlich entlastet werden ist derzeit eher ungewiss.

Die Preisentwicklung der Industriemetalle bringt daneben auch weniger energieintensive Unternehmen in Bedrängnis. Russland ist einer der wichtigsten Produzenten von Nickel, Aluminium und ähnlichen unedlen Metallen für den Weltmarkt. Die militärische Eskalation im Ukraine-Konflikt verursacht teils drastische Preisaufschläge und erhöht das Risiko einer Versorgungskrise.  

Restriktive Haltung der Banken und Warenkreditversicherer

Finanzierungsmöglichkeiten durch traditionelle Banken werden zunehmend schwieriger, vornehmlich für KMUs. Der coronabedingt erhöhte Liquiditätsbedarf führte im Jahr 2020 zu einer gesteigerten Nachfrage nach Bankkrediten, während sich gleichzeitig die Eigenkapitalsituation vieler Unternehmen sukzessive verschlechterte. Bereits vor Kriegsausbruch haben die Banken ihre Finanzierungstätigkeit infolge steigender Kreditrisiken zurückgefahren. Mit dem Krieg in der Ukraine stehen die Banken nun vor der Herausforderung, den Ausfall von Kunden in besonders betroffenen Wirtschaftssektoren abzuschätzen. Gleichzeitig stellen auch jene Kunden ein Risiko dar, die bereits durch die Pandemie erheblich betroffen sind. Die gesunkene Risikotoleranz der Banken resultiert in einer Verschärfung des Kreditstandards für Kredite und Kreditlinien, während vermehrte Kreditausfälle und eine Zunahme notleidender Kredite in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen wahrscheinlicher werden. 

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Warenkreditversicherern. Tendenziell waren diese schon vor der Pandemie zurückhaltend, insbesondere im schwächelnden Automotive-Bereich. Ein staatlicher Schutzschirm für Kreditversicherer, zur temporären Absicherung der Lieferketten, hat im Laufe der Pandemie dem restriktiven Verhalten entgegengewirkt. Dieser Schutzschirm ist jedoch schon Mitte 2021 ausgelaufen und der aktuelle Konflikt in der Ukraine führt erneut zu einer signifikanten Verschärfung der Risikosituation. Folglich kommt es zur Streichung und Reduktion bestehender Kreditlimits, wohingegen neue Limits – wenn überhaupt – nur noch unter hohen Anforderungen vergeben werden. Die Unternehmen sind durch den Wegfall der Vorfinanzierung mit weiter steigendem Liquiditätsbedarf konfrontiert.   

Der Fachkräftemangel als strukturelles Problem 

Letztlich stellt auch der wachsende Fachkräftemangel, besonders für mittelstandsgeprägte Regionen, eine große Herausforderung dar. Eine erhebliche Änderung der Alters- und Erwerbstätigenstruktur ist Folge der demografischen Entwicklung. Die Bevölkerung altert und schrumpft sukzessive, während die Vorteile der Städte und Ballungsräume zusätzlich zur Abwanderung potenzieller Fachkräfte beitragen. 

Um neue Fachkräfte zu gewinnen und zur Vermeidung einer erhöhten Fluktuation sind die KMUs mit einem Anstieg der Arbeitskosten konfrontiert. Eine weitere Folge des Fachkräftemangels ist die Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft, um kurzfristige Personalengpässe zu überbrücken, Lieferfristen ein- und angebotene Produkte und Dienstleistungen aufrechtzuhalten. 

Also was tun?

Durch die Vielzahl der Einflussfaktoren sind die Marktmechanismen scheinbar außer Kraft gesetzt. Jetzt gilt es vor allem, ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Hausbanken aufrechtzuhalten und die Kapitaldienstfähigkeit zu gewährleisten. Sofern eine Weiterfinanzierung durch die Banken möglich ist, scheint es sinnvoll, Festsatzkredite angesichts des steigenden Zinsniveaus zu vereinbaren. Alternative Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, z.B. durch strategische Partner oder Family Offices, müssen geprüft werden. Auch eine objektbasierte Finanzierung durch Factoring, Sale-and-Lease-Back oder Finetrading kann zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit beitragen. 

In Anbetracht der aktuellen Lage sollte – bei bestehenden Materialengpässen – eine Kunden- bzw. Produktdiskriminierung erfolgen. Konsequente Verhandlungen zur Weitergabe der Energie- und Materialpreiserhöhungen sowie die Vereinbarung von Materialteuerungszuschlägen sind ebenfalls ausschlaggebend. Ergänzend sollte für eine bessere Verhandlungsgrundlage die Vor- und Nachkalkulation der Aufträge erfolgen. 

Um einen plötzlichen Liquiditätsbedarf zu vermeiden, müssen sich die Unternehmen Informationen bei den wichtigsten Lieferanten über die Höhe und Qualität bestehender Kreditlimits einholen und die Entwicklung beobachten. Eine regelmäßige Versorgung der Auskunfteien mit Daten ist ebenfalls von Relevanz, um mögliche Downgrades des Ratings zu verhindern. 

Ein weiteres Instrument, um den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen entgegenzuwirken, sind durch den Zusammenschluss von KMUs gegründete Energie- und Einkaufsgenossenschaften. Damit können höhere Volumen und bessere Einkaufsbedingungen bewirkt werden. Um mittelfristig die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern, sollte jedoch der Ausbau erneuerbarer Energien an den Produktionsstandorten, bspw. durch Photovoltaik-Anlagen oder Biomasse-Blockheizkraftwerke, weiter vorangetrieben werden. 

Für den Erhalt unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit ist auch die Generierung der Fachkräfte „von innen heraus“ nötig. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten oder eine Studienfinanzierung sind hier attraktive Ansätze. Ebenfalls kann der Aufbau genossenschaftlicher Arbeitnehmerüberlassungsfirmen durch die Mittelständler erfolgen, um damit aktiv und gemeinsam Fachkräfte aus dem osteuropäischen Raum zu akquirieren. Schlussendlich sind kontinuierlich Rationalisierungsmaßnahmen im Produktionsprozess durch Automatisierung zu prüfen. 

Bei Fragen rund um Finanzierung, Preisfindung sowie Einkaufsprozesse und daraus resultierenden Optimierungsszenarien stehen wir unsere Berater gerne zur Verfügung.

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